In Europa und den nördlichen Breitengraden ist die nächste Wasserquelle in Form von Flüssen, Seen oder Quellen oft nicht weit. Kein Wunder, dass sich viele Wanderer (besonders auf Mehrtagestouren) dafür entscheiden nur eine kleine Menge Trinkwasser zu transportieren. Den restlichen Bedarf „zapfen“ sich echte Outdoorer frisch aus der Natur. Doch woher weiß ich, wann ich welches Wasser trinken kann und was zu tun ist, um Wasser trinkbar zu machen?
Dies ist Teil 2 unserer Serie „Trinkwasser unterwegs“. Eine Übersicht aller weiteren Teile findet ihr am Ende des Beitrags.
Wann und wo muss ich Reinigen
Bevor ich mich für ein geeignetes Reinigungsverfahren entscheiden kann, muss ich wissen, was überhaupt im Wasser drin ist. Jetzt hat natürlich kein Wanderer die Möglichkeit eine Wasseranalyse durchzuführen. Mit etwas Grundlagenwissen, kann jedoch jeder das persönliche Risiko abschätzen und entsprechend handeln.
In unserem einleitenden Beitrag zu „Trinkwasser unterwegs“ haben wir bereits die verschiedenen Wasserqualitäten zwischen Nord- und Südeuropa angesprochen und dass unser Immunsystem hier eine wesentliche Rolle spielt.
Es gibt keine absolute Wahrheit
Der erste und wichtigste Punkt: Es gibt KEINE absoluten Aussagen im Umgang mit Trinkwasser! Es gibt einfach viel zu viele Einflussmöglichkeiten, die wir nicht abschätzen können. Daher glaubt niemandem der mit absoluter Sicherheit sagt, dass etwas funktioniert. Es gibt lediglich Tendenzen und Erfahrungswerte, dass manche Verfahren besser und manche schlechter funktionieren.
Also, wann und wo sollte ich Wasser reinigen? Erstens: Immer dann, wenn ich mich außerhalb meines gewohnten Umfeldes bewege. Das heißt, wer in Mitteleuropa lebt und an die Umgebungsbedingungen dort angepasst ist, wird seltener krank, als würde er in Asien oder Afrika ungefiltertes Wasser trinken. Dieses Prinzip gilt in alle Himmelsrichtungen, da sich die natürlichen Bedingungen überall ein wenig unterscheiden.
Wesentliche Einflussfaktoren
Der nächste wesentliche Punkt sind die klassischen Einflussfaktoren für verunreinigtes Wasser. Gibt es in der Umgebung Industrie oder Landwirtschaft (auch Flussaufwärts!)? Handelt es sich um ein stehendes oder fließendes Gewässer, ist das Wasser (oder die Umgebung) warm oder kalt? Gibt es ein ausreichendes Nahrungsangebot für Bakterien (Beispiel viele Tiere im Umfeld der Quelle)?
Betrachtet man all diese Einflussfaktoren, wird man schnell feststellen, dass nicht besonders viele Quellen wirklich zur Trinkwassergewinnung geeignet sind. Bzw. dass wir unser eigenes Risiko bewusst abschätzen müssen. Oft geht es gar nicht darum gleich größeren Schaden zu nehmen, nur weil die Wasserquelle nicht klinisch rein ist. Wer einen guten Magen hat, steckt auch mal einen Tag Bauchschmerzen weg. Und verdursten ist sicher auch keine Alternative.
Die richtige Vorbereitung zur Vor- und Nachsorge ist hier wesentlich. Dabei wollen wir euch mit unserem Service & Beratung so gut es geht helfen.
Welche Wasserinhaltstoffe erwarten mich?
Wasserinhaltstoffe, die uns schaden sind meistens so klein, dass wir sie nicht erkennen können. Um festzustellen, was wirklich drin ist, benötigen wir eine aufwendige Wasseranalyse, welche kein Wanderer durchführen kann. Zur grundsätzlichen Risikobewertung können wir jedoch vereinfacht drei wesentliche Gruppen von Inhaltsstoffen unterscheiden. Es handelt sich hierbei um eine Vereinfachung für das allgemeine Verständnis. Wir unterscheiden Mineralien, biologische und chemische Wasserinhaltsstoffe.
Mineralien
Es gibt Mineralien, welche das Wasser aus dem umgebenen Material aufnimmt. Diese sind oft unbedenklich und können auch unserem Wohlbefinden dienen. Zum Beispiel benötigt der Körper Calcium, Magnesium und Eisen in gewissen Mengen. Diese Stoffe sind vor allem in technischen Prozessen nachteilig und werden deshalb reduziert. Wir werden später einmal in einem Beitrag zur Wasserenthärtung für Wohnmobile näher darauf eingehen.
Biologische Wasserinhaltsstoffe
Biologische Wasserinhaltstoffe haben den Nachteil, dass sie schon in sehr kleinen Mengen zu negativen Auswirkungen führen können. Hierbei handelt es sich meist um Mikroorganismen wie Protozoen, Bakterien und Viren.
- Protozoen sind z.B.: Amöbenruhr, Giardia, Lamblien oder Kryptosporidien
- sie sind etwa 1 – 15 µm klein.
- Bakterien sind z.B.: E-coli, Salmonellen, Cholera, Legionellen oder Pseudomonaden
- sie sind etwa 0,2 – 5 µm klein.
- Viren sind z.B.: Hepatitis A, Norwalk-Virus, Rota-Virus oder Polio-Virus
- sie sind etwa 0,02 – 0,2 µm klein
Protozoen
Protozoen sind tierische Einzeller, welche über tierische und menschliche Fäkalien in das Trinkwasser gelangen. Protozoen benötigen einen Wirt. Bis sie diesen gefunden haben, schützen sie sich durch eine resistente Membrane vor Umwelteinflüssen. Diese Membrane schützt auch vor Chemikalien zur Desinfektion. Es ist eine lange Einwirkzeit von bis zu vier Stunden nötig, um diese Membrane zu durchdringen. Auf Grund ihrer Größe lassen sich Protozoen jedoch gut abfiltrieren.
Bakterien
Bakterien sind Einzeller, welche sich besonders schnell vermehren können. Ideale Lebensbedingungen sind ruhende, warme und nährstoffreiche Gewässer. Am sichersten fühlen sich Bakterien in einem Biofilm (sowohl in der Natur, als auch in Hausinstallationen). Der Biofilm schützt Bakterien vor äußeren Einflüssen und eben auch vor Reinigungsversuchen mit Chemikalien. Im Wasser schweben nur ca. 5 – 10% aller Bakterien. Bakterien sind noch groß genug, dass sie sich durch spezielle Filter abfiltrieren lassen. Alternativen sind die bekannten chemischen Verfahren oder UV-Strahlen.
Viren
Viren sind als Parasiten abhängig von einem Wirt. Sie haben keinen eigenen Stoffwechsel und benötigen lebende Zellen zum Überleben. Einzeln sind sie zu klein um sie gut mechanisch zu filtern. Da sie i.d.R. an Partikeln haften, reichen oft Filter mit einer Porengröße von 0,2µm (Bakterien-Filter). Es gibt jedoch keine Garantie, dass damit alle Viren aus dem Wasser entfernt werden. Chemische Desinfektion oder UV-Strahlen geben hier zusätzliche Sicherheit.
Chemische Verunreinigungen
Bakterien wirken schon in kleinen Mengen, da sie sich selbstständig in einem kritischen Maße vermehren können. Bei Chemikalien wird die schädliche Konzentration durch kontinuierliche Anreicherung erreicht.
Schwermetalle
Chemikalien gelangen auf unterschiedliche Weise in unser Trinkwasser. Schwermetalle kommen zum Beispiel natürlicher Weise in der Erdkruste vor und können sich im Grundwasser anreichern. Besonders Abwässer aus Bergbaugebieten sind hier betroffen. Da sich Schwermetalle nur durch aufwendige Reinigungsverfahren, Destillation und Flockung entfernen lassen, sollte dieses Wasser auf keinen Fall zur Trinkwassergewinnung auf Wanderungen genutzt werden. Einfache Outdoor-Filter können dies i.d.R. nicht leisten.
Landwirtschaft

Über die Landwirtschaft werden verschiedene organische Stoffe in unser Wasser abgegeben. Egal ob über Düngemittel oder Fäkalien, in Regionen mit intensiver Landwirtschaft reichern sich schädliche Stoffe in hohen Mengen an. Diese lassen sich zwar mit Hilfe von Aktivkohlefiltern reduzieren, aber eine 100%ige Sicherheit gibt es auch hier nicht.
Industrie
Ein weiterer wesentlicher Punkt zur Trinkwasserverunreinigung trägt unsere moderne Industrie bei. Für fast alle Industriezweige werden große Mengen Wasser benötigt, welche dann als Abwasser in Flüsse eingeleitet werden. Dies betrifft meistens größere Flüsse und Wasserstraßen, in denen ein Mix aus den unterschiedlichsten Chemikalien herrscht. Es gibt zwar grundsätzlich Grenzwerte, aber auch hier gibt es immer wieder negative Pressemeldungen. Dazu kommt, dass es in vielen Ländern gar kein Bewusstsein für diese Probleme gibt.
Wasserleitungen
Da wir auf Reisen nicht nur Wasser aus der Natur konsumieren, sondern auch aus Installationen gibt es natürlich auch hier verschiedenen Inhaltsstoffe, die Geschmack und Wohlbefinden beeinflussen. In vielen Ländern der Welt wird Trinkwasser gechlort. Das hilft zwar Bakterienwachstum zu reduzieren, schmeckt aber scheußlich und ist auf Dauer auch nicht besonders förderlich für unsere Gesundheit.
Hinzu kommt die Leitung selbst. Alte Bleirohre oder Rost und Ablagerungen verändern das Trinkwasser negativ.
Die meisten chemischen Verunreinigungen lassen sich gut mit Aktivkohle reduzieren. Hierfür soll die folgende Übersicht zur Orientierung dienen:
Reinigungsverfahren
Die wesentlichen Reinigungsverfahren sind Filtration (mechanische Filter, Aktivkohlefilter), chemische Reinigung und Desinfektion (Bsp.: Chlor) oder physikalische Verfahren (UV-Strahlen). Welche Möglichkeiten uns zur Trinkwasseraufbereitung zur Verfügung stehen erfahrt ihr im nächsten Beitrag – Kapitel 3: „Wie bekomme ich Wasser trinkbar – Teil 1“ und bei unseren Workshops. Neben einleitender Theorie geht es uns vor allem darum euch in die Lage zu versetzen, eigene Entscheidungen zu treffen. Dies klappt am besten, wenn man neben dem Grundlagenwissen auch mal verschiedene Varianten ausprobieren kann. Nur so könnt ihr einschätzen, was euch unterwegs wirklich hilft.
„Am besten hilft, was man auch wirklich benutzt!“
Kapitel 1 – „Trinkwasser unterwegs“
Kapitel 2 – „Warum Wasseraufbereitung“
Kapitel 3 – „Wie bekomme ich Wasser trinkbar -Teil 1“
Kapitel 4 – „Wie bekomme ich Wasser trinkbar -Teil 2“
Kapitel 5 – „Wie bekomme ich Wasser trinkbar -Teil 3“
Kapitel 6 – „Wie bekomme ich Wasser trinkbar -Teil 4“





